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ARSENAL

(UdSSR 1929)


Regie: Oleksandr Dowschenko
Musik: Alexander Grebtschenko (2017)


Live-Produktion im Auftrag von ARTE/ZDF
Orchester der Komischen Oper Berlin
Dirigent: Frank Strobel


87 min


Erstausstrahlung: 23.11.2017, 0:20 Uhr, arte


https://de.wikipedia.org/wiki/Arsenal_(Film)




Zur neu komponierten Musik von Alexander Grebtschenko von Nina Goslar


Die neue Filmmusik für "Arsenal" baut auf vielen Zitaten und Bearbeitungen von ukrainischer Volks- und russischer bzw. sowjetischer Militärmusik auf. Alle Abstufungen einer Wiedererkennung werden durchlaufen - manche Motive bleiben deutlich erkennbar, andere werden auf eine abstrakte Ebene gehoben, auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Entsprechend den sieben Filmakten gibt es sieben Tanzsätze, die in ihrer Reihenfolge der Spannungskurve einer barocken Suite folgen. Ein weiteres formbestimmendes Moment ist die lineare Entwicklung der musikalischen Motive. Aus einem anfänglich eher verstreuten Flickenteppich musikalischer Ideen und Themen entwickelt sich zunehmend eine klare Sprache. Analog verändert sich das Verhältnis von Bild und Ton, das im Lauf des Films immer selbstbestimmter wird - nicht unähnlich der filmischen Erzählung, die als Chronik der geschichtlichen Ereignisse beginnt und mit einer apotheotischen Einstellung endet.Arsenal ist kein vordergründiger Propagandafilm. Dazu belässt er viel zu viele Passagen in einer ambivalenten und teilweise surreal anmutenden Atmosphäre. Diese Ambivalenzen kommen musikalisch durch bewusst gesetzte Mittel der Entfremdung zum Ausdruck; so wird eine Sequenz, in dem ein Akkordeon eine zentrale Rolle spielt und in Großaufnahmen sichtbar ist, nicht durch das (davor schon verwendete) Akkordeon untermalt, sondern durch ein Cembalo - ein Instrument, dessen Aura in einer anderen musikalischen Welt verhaftet ist.Aus diesem versetzten Zusammenspiel von Bild und Musik ergibt sich eine starke Aktivierung der Wahrnehmung, ausgelösst durch eine leichte Irritation, die zugleich erkenntnisfördernd ist. Ganz im Sinne der alten Avantgarde, die dem bürgerlichen Illusionismus den Kampf ansagte und stattdessen eine kontrapunktische Beziehung von Bild und Ton propagierte. Dabei ging es nie um die Beliebigkeit und gewaltsame Distanzierung, sondern in Abwandlung eines Satzes von Eisenstein darum, dass Filmmusik dem Film etwas zufügt, das nur Musik mit ihrer eigenen Formstrukrur zu leisten vermag. Musik als zweite sinnstiftende Schicht, die visuelle Bewegungen fortführt, deutet, kommentiert, rhythmisiert und die nicht nur verdoppelt, was man ohnehin schon sieht.Historisch gesehen, bot der Stummfilm dafür ein einmaliges Reservoir von Freiheiten und Möglichkeiten.

Nina Goslar 2017




Noch eindrucksvoller wirkt – unter der souveränen Leitung des Dirigenten Frank Strobel – Alexander Grebtschenkos Musik zum Hauptfilm, Oleksandr P. Dowschenkos ukrainisches Revolutionsepos „Arsenal“ von 1929. Er fasst die experimentellen Filmsequenzen zu großen emotionalen Bögen zusammen, zudem gelingen ihm immer wieder frappierende Überblendungen von äußerem Pathos zur Darstellung innerer Zustände wie etwa dem erregten, körperlich bedrängenden Herzschlag des nach außen hin selbstbewusst auftretenden revolutionären Helden (zu sehen am 23. 11. um 0.20 Uhr auf Arte).

Carsten Niemann, Tagesspiegel




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